Intersektorales Assistenzsystem zur Unterstützung des Medikationsprozesses bei multimorbiden Patienten (AMME)

(ZIM 16 KN 039934)

Bei der Verschreibung von Medikamenten handeln Ärzte oft unabhängig voneinander, da zwischen ihnen ein geringer Informationsaustausch stattfindet. Das Idealbild hausärztlichen Arbeitens, das auf einer langjährigen Arzt-Patienten-Beziehung, intensiver Patientenkenntnis aus erlebter Anamnese, ganzheitlichem Fallverständnis und Handeln sowie der Wahrnehmung der Koordinierungsfunktion im Rahmen der Gesundheitsversorgung beruht, findet sich zunehmend selten. Dies ergibt sich insbesondere im ländlichen Bereich und in städtischen Wohngegenden mit niedrigem sozioökonomischem Status aus dem Mangel hausärztlicher Versorgungskapazität sowie dem Konsultationsverhalten der Patienten, die oft Fachspezialisten ohne vorherige Absprache mit dem Hausarzt und Überweisung aufsuchen.

Insbesondere bei multimorbiden Patienten mit einer dauernden Arzneimitteltherapie besteht also - durch das Hinzukommen nicht-koordiniert verordneter oder nicht-rezeptpflichtiger Wirkstoffe - ein hohes Risiko für klinisch und wirtschaftlich relevante und nicht (rechtzeitig) erkannte unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Arzneimittel-Interaktionen. Daraus ergibt sich, dass etwa 5% der Krankenhauseinweisungen durch Arzneimittel-bezogene Morbidität indiziert sind. Nach Westerlund et al. [2] sind 2/3 davon vermeidbar. Abbildung 1 zeigt dabei die steigende Zahl von Berichten über unerwünschte Arzneimittelwirkungen in den letzten Jahren. Genauso besteht ein wirtschaftlich und klinisch relevantes Risiko durch die doppelte Rezeptierung von Arzneimitteln mit gleichem Wirkmechanismus. In der gegenwärtigen (haus-)ärztlichen Praxis sind Informationen über die komplette Arzneimitteltherapie des jeweiligen Patienten regelhaft nicht (in übersichtlicher Form) vorhanden oder mangels regulärer Aktualisierung oder mangels vollständiger Angaben des Patienten nicht zuverlässig.

Ziel des Projektes AMME ist es, ein Assistenzsystem für die Prozessunterstützung des Medikamenten-Managements zu etablieren. Das Projekt setzt auf bisherigen Erkenntnissen und etablierten Standards auf und unterstützt die Selbständigkeit sowie Selbstbestimmtheit des Patienten in Bezug auf seinen Therapieprozess. Die Informationen über die Medikation (ambulanter und stationärer Versorgungsbereich, rezeptfreie und rezeptpflichtige Wirkstoffe) werden institutionsübergreifend, strukturiert und lückenlos erfasst, durch den Patienten gesteuert und vom Apotheker koordiniert.

Das beantragte Projekt AMME beruht auf etablierten Standards im Gesundheitswesen, wie zum Beispiel dem Medikationsplan der „Arzneimittelkommision der deutschen Ärzteschaft“ (AkdÄ) [6] und dem DataMatrix-Code der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) [7]. In Harmonisierung mit der Entwicklung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ist das Projekt darauf ausgerichtet, einen Beitrag zur Arzneimitteltherapie-Sicherheit zu leisten und dem „Patienten-Empowerment“, gerade auch im Bereich der Pflege, Rechnung zu tragen.

Dabei richtet sich das Projekt AMME sowohl nach den Empfehlungen des „Memorandum zur Entwicklung der Forschung auf dem Gebiet der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS)“ [8] als auch des “Aktionsplan 2013 - 2015 des Bundesministeriums für Gesundheit zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland”[9]. Im Besonderen betrifft dies folgende Punkte:

  1. „Implementierung und Evaluierung eines patientenbezogenen Medikationsplanes“ nach Empfehlung der AkdÄ [10]
  2. Verbesserung der intersektoralen Kommunikation im Bereich AMTS, nach Empfehlung des Bundesministerium für Gesundheit [11], mit Fokus auf:
    • Medikationsplan
    • Medikationsanamnese
    • Medikationsüberprüfung
    • “Stärkung der Kooperation der an der Arzneimitteltherapie beteiligten Heilberufe“

Das Projekt AMME nutzt einerseits die Rolle des Patienten, ggf. der pflegenden Angehörigen oder des Pflegedienstes als Inhaber des Medikationsplanes. Andererseits nehmen der Hausarzt (Facharzt für Allgemeinmedizin) und der Apotheker im Medikationsprozess zentrale Rollen ein. Sie sind Mittler zwischen Ärzten anderer Fachrichtungen, Pflegern und Patienten.

Der Hausarzt kann die Verordnungen anderer Fachkollegen mit seiner Fachkompetenz und Patientenkenntnis beurteilen und priorisieren. Dem Apotheker obliegt insbesondere die Prüfung auf mögliche Arzneimittelinteraktionen und gegebenenfalls das Vorschlagen von Alternativen. (vgl. Abbildung 2). Die Einordnung zu bisherigen Projekten ist in Kapitel 3 (vgl. Abbildung 4) dargestellt.

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